Populismus im postfaktischen Zeitalter

Was ist Populismus – Begriffsdefinition

Studien über extremistische und populistische Parteien werden des Öfteren zusammen untersucht (Mudde 2013; Bartlett et al. 2011), zumal die Grenzen des parteipolitischen Extremismus und Populismus häufig fließend sind. Extremisten sind in den meisten Fällen auch Populisten, im Gegenzug ist jedoch nicht jeder Populist auch ein Extremist. Dem Begriff beziehungsweise dem Politikstil Populismus fehlt es bislang an einer einheitlichen Definition. Populisten werden auch als weiche Extremisten bezeichnet, da sie die gleichen Ängste und Sorgen der Menschen stimulieren wie die Extremisten, wenn auch mit enthaltsameren Mitteln. Der Begriff Populismus erfährt häufiger Verwendung ebenso in der Alltagssprache, im Journalismus wie auch in der Wissenschaft. Dem Populisten wird häufig und meist zurecht eine ausgeprägte Machtgier vorgeworfen.  „Der Populist, so heißt es, verhält sich „billig“, streitet nicht um der Sache, sondern um der vordergründigen Gunst des Publikums willen“ (Decker/Lewandowsky 2009: 1).

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Die wissenschaftliche Definition weicht von der obigen etwas ab, demnach Populismus eine politische Haltung ist. Populismus ist weniger durch bestimmte politische Inhalte zu charakterisieren als vielmehr durch die Art und Weise der politischen Artikulation. Der Populist kämpft gegen die politische Elite und agiert im Interesse des Volkes.1)  „Populismus“ wird sowohl als eine politikwissenschaftliche Kategorie wie auch als Schimpfwort verwendet. Etymologische Argumente, die sich auf die lateinische Herkunft des Begriffs („populus“ = Volk) beziehen, können trügerisch sein. Denn demnach könnte Populismus mit Demokratie (griech. Volksherrschaft) gleichgesetzt werden. Laut dem deutschen Populismusforscher Werner Patzelt entsteht Populismus in sogenannten „Repräsentationslücken“, wenn sich Teile der Bevölkerung durch die Herrschenden nicht repräsentiert fühlen (Patzelt 2017). Mit Hilfe der alternativen Medien, bereitgestellt durch das Internet, werden diese Repräsentationslücken von Populisten durchaus erfolgreich gefüllt.

Meinungsfreiheit und Populismus

In einer Demokratie gehört zu den Grundrechten auch das Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit. In Österreich ist diese demokratische Grundfreiheit in Art. 10 EMRK und Art. 13 Staatsgrundgesetz verankert: „Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern“ (Art. 13 StGG).  Die wichtigste öffentliche Aufgabe der Medien ist es, an der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken. Im Meinungsbildungsprozess werden von den Medien Informationen über wichtige gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Zusammenhänge  gesammelt, selektiert und kritisch hinterfragt. Das Funktionieren einer Demokratie, in der die Staatsgewalt vom Volk ausgeht (Art.1 B-VG), verlangt, dass die Bürger und Bürgerinnen ausreichend informiert werden, um eine eigene Meinung zu wichtigen politischen Inhalten bilden zu können. Im Bereich der politischen Informationsvermittlung kommt den Medien eine zentrale Bedeutung zu, da sie die bedeutendsten Akteure der politischen Meinungsbildung sind und zugleich stellen sie die wichtigsten Plattformen zur Verfügung, aus denen alle ihre Informationen beziehen können. Durch das Recht der freien Meinungsäußerung gibt es in Österreich eine bunte Vielfalt von Medienangeboten, die von professionellen Nachrichten bis hin zur populistischen Verbreitung von qualitativ minderwertigen, weniger relevanten Boulevard- Informationen reichen. Qualitätsunterschiede in den Berichterstattungen sind in allen Bereichen (Wirtschaft, Politik, Feuilleton, Sport etc.) der Nachrichtenvermittlung vorzufinden.  Es kann beispielsweise zur Informationsverzerrung kommen, wenn Populisten mit dem Vorwand des demokratischen Grundrechts auf Meinungsfreiheit mit sogenannten „Postfakten“, agieren und selbst seriöse Medienberichterstattungen und Journalisten als „fake news“ und als Lügenpresse bezeichnen, um so Propaganda zu betreiben.

Jugendliche, Politik und die sozialen Medien

Österreichs Wahlalter von 16 Jahren gilt als Vorreiter bei der demokratischen Partizipation junger Menschen in Europa. Der Jugend-Trend-Monitor aus dem Jahr 2013 fand heraus, dass  die befragten Jugendlichen in Österreich ihr Interesse am ehesten für Musik und Sport bekunden und Politik mit 11 Prozent auf ihrer Interessenskala ganz hinten verorteten (Jugend-Trend-Monitor 2013). Drei Jahre später, 2016 in einer ähnlichen Studie berichteten 70 Prozent der interviewten Jugendlichen, dass sie Nachrichten kaum wahrnehmen würden. Aber die sich für Politik interessieren, beziehen ihre Informationen allen voran aus den sozialen Medien, an erster Stelle aus Facebook (Jugend-Trend-Monitor 2016). Die folgende Graphik zeigt, dass unter Österreichs Jugendlichen Facebook die wichtigste Plattform der sozialen Interaktionen und des Informationsaustausches ist.

Grafik 1: Nutzung von Social Media Netzwerken durch Jugendliche

Quelle: Jugend-Trend-Monitor 2016

Quelle: Jugend-Trend-Monitor 2016

Trotz der zunächst niedrigen Interessensbekundung der Jugendlichen für Politik, lassen sie sich politisch durchaus engagieren wie es die Studie 2013 herausfand. Sie befragte die Jugendlichen auch hinsichtlich ihrer Einstellung zur Mitbestimmung: 8 von 10 stuften die eigene Mitbestimmung als „sehr“ oder „eher wichtig“ ein und über zwei Drittel waren der Meinung, dass sie über die vorhandenen Mitbestimmungsmöglichkeiten etwas bewirken können. Als beliebteste Beteiligungsformen wurden „Wählen gehen“, „Unterschriftenliste unterzeichnen“ und das „Liken“ im Web angegeben (Jugend-Trend-Monitor 2013). Auch hier zeigt sich die Tendenz, dass die Meinungsbildung und –äußerung immer weniger in den traditionellen und vielmehr in den sozialen Medien stattfinden. Und genau dies nutzen Populisten mit dem Ziel aus, die Unentschlossenen und Enttäuschten, meist jungen Wähler und Wählerinnen zu ihrem eigenen Vorteil zu beeinflussen.

Jugendliche und ihre Anfälligkeit für populistische Inhalte

Die Verbreitung von Medieninhalten wie auch der Politikvermittlungsprozess erfolgen zunehmend auf den unterschiedlichsten Plattformen der internetbasierten „Social Media“, die als wichtige Kommunikationsflächen sowohl für die Medien als auch für die Parteien dienen. Die enttarnende Rolle der Medien („Mediendemokratie“), welche durch die neuen Technologien, insbesondere die online Kommunikationsinstrumente verstärkt wird, sorgt für Kritik – etwa wenn Medien die auf analytischer Recherche basierende Berichterstattung einer oberflächlichen durch Sensationsgier gesteuerten Informationsvermittlung unterordnen und „Politik-Populismus“ betreiben.

Der zunehmende Einfluss der Medien auf die heutige Politik(gestaltung) zieht auch eine Emotionalisierung der massenmedialen Kommunikation mit sich, insbesondere, wenn es um populistische Inhalte geht. Populismus wie auch die Massenmedien arbeiten mit den Instrumenten der „Personalisierung, Komplexitätsreduktion, Dramatisierung und Emotionalisierung“ (Diehl 2012: 17), die darauf ausgerichtet sind, kommerzielle Erfolge wie erhöhte Leserzahlen und Stimmenzuwachs bei den Wahlen zu erzielen. Eine sinnliche Personalisierung wie es beispielsweise die Populisten HC Strache im Vorfeld der österreichischen Nationalratswahl oder Norbert Hofer ebenfalls von der FPÖ im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2016 auf twitter, facebook und co. mit Erfolg praktizierten, geschieht mit Hilfe der Medien, die nun in jedem demokratischen politischen System als vierte Gewalt fungieren.

Durch den erhöhten Druck der Parteien, Wählerstimmen zu gewinnen und sie zu behalten, besteht die Gefahr, dass „Entscheidungen gegen den Medien-Mainstream kaum noch getroffen würden“ (Müller 2006), da sich Politik der Logik der medialen Präsentation unterwirft. Thomas Meyer bezeichnet die Form der Mediatisierung, in der die Medien die Politik kolonisieren und eine theatralische Inszenierung mit einem Rollenwechsel zwischen Medien und Politik stattfindet, als Mediokratie (Meyer 2001; Meyer 2002). Während in der Parteiendemokratie die Medien die Politik kontrollieren sollten, beobachten in der Mediendemokratie die politischen Akteure das Mediensystem, um sich „richtig“ präsentieren zu können.  Solches „Politainment“ (Dörner 2001) schafft zusätzliches Publikum und erhöht die Wählerstimmenanzahl.

Der politische Unterhaltungsmodus via social web zeigt vor allem bei den Jugendlichen Erfolg. Die FPÖ mit der dominanten Führungsfigur und dem Medienstar HC Strache hat im Wahlkampf zu Nationalratswahl 2013 auf die Strategie des Politainments gesetzt. Die Partei gilt als eine rechtspopulistische, wie Richard Stöss sie kategorisiert leicht rechtsextreme Partei (Stöss 2007) und ist eine der erfolgreichsten EUropäischen Parteien ihresgleichen.  Der „Vater“ der Partei, Jörg Haider – ebenfalls ein politischer Entertainer­ – kann „als der Prototyp des europäischen Rechtspopulismus gelten“ (Hartleb 2011: 42). Sein Nachfolger Strache hat die Führung auf der Beliebtheitsskala der EU-Populisten im Internet übernommen 2). Anton Pelinka beispielsweise rechtfertigt den populistischen Stempel der FPÖ mit dem Profil ihrer Wählerschaft, ihrer ideologiegeleiteten Fremd- und Selbstwahrnehmung sowie mit den opportunistischen Inhalten ihrer Wahlmotive (Pelinka 2002), die sie geschickt in den Medien einsetzt.

Neben den persönlichen Botschaften und Weisheiten über Vollmond, Liebe, Fitness oder eben den Guten-Morgen-Wünschen waren die beliebtesten Debatten auf der Facebook-Seite von Strache jene um Kriminalität, Asylmissbrauch, die Einführung der Direkten Demokratie nach dem Schweizer Modell, Souveränitätsverzicht durch die EU und die Wahrung der österreichischen Identität und Kultur (www.facebook.com/HCStrache) – also jene Themen, die in den Medien ebenfalls eine zentrale Stellung einnahmen. Als Ergebnis erzielte die FPÖ bei der Nationalratswahl 2013 auch bei den JungwählerInnen einen beachtlichen Erfolg. Unter den unter 29-Jährigen wurde sie zur beliebtesten Partei: 22 Prozent der bis zu 29-jährigen WählerInnen und 32 Prozent der jungen männlichen Wähler (bis zum 29. Lebensjahr) votierten für die FPÖ (SORA/ISA 2013). Die intensive Personalisierungskampagne von Strache – insbesondere auf Facebook –  punktete bei Österreichs Jugend, die das „liken“ im Facebook als eine der wichtigsten Mitbestimmungsformen ansieht: Im Vorfeld der NR-Wahl wurden Jugendliche befragt, mit wem sie Abendessen gehen würden. Strache landete bei dieser Umfrage auf Platz drei, lediglich überholt vom damaligen US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama und dem damaligen österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer (Jugend-Trend-Monitor, 2013). Auch bei der Bundespräsidentenwahl 2016 punktete der Kandidat der FPÖ, Norbert Hofer bei den Jugendlichen. Die Vorwahlbefragung zum zweiten Wahlgang zeigte auf, dass Hofer insbesondere bei den „männlichen Jungwählern mit mittlerer und niedriger formaler Bildung“ am beliebtesten ist. Zudem fanden sie heraus, dass die Hälfte der Jugendlichen unzufrieden mit der Regierung sei und gar den Rücktritt des damaligen Bundeskanzlers Faymann befürwortete (Jugendkultur.at 2016). Ähnlich zu HC Strache baute auch Hofer auf eine personalisierte Facebook-Kampagne, bei der sich der FPÖ-Kandidat deutlich aktiver (gemessen an Posts und Kommentaren) zeigte als beispielsweise sein Rivale Van der Bellen (Thaler 2016).

Strategien gegen Postfakten

Für Populisten, aber auch für nicht-Populisten fungieren die Medien und das Internet als die billigste, effizienteste Plattform für Mobilisierung und Wahlkampf auch außerhalb der Wahlkampfperiode. Es ist vor allem eine gesellschaftliche Aufgabe, die Medien von einer Selbstinszenierung wieder zur kontrollierenden „Gewalt“ zu rekultivieren. Dabei sollte die politische Bildung insbesondere der Jugendlichen durch die Massenmedien zu einem wiederholten Leitziel formuliert werden. (Social)-Medienkunde als ein in das Bildungssystem integriertes Schulfach wäre hierfür ein lohnenswerter Anfang. Dabei sollten folgende Schwerpunkte berücksichtigt werden:

  1. Geschichte der Medientypen
  2. Rolle und Funktion der Medien
  3. Print- versus online Medien
  4. Ich als Journalist im Web: Rechte und Pflichten
  5. Ich als Konsument im Web: Spaßfaktor vs. Gefahr
  6. Unterschied zwischen Fakten und „Fake News“

Literatur

Decker, Frank/Lewandowsky, Marcel (2009): Populismus. Erscheinungsformen, Entstehungshintergründe und Folgen eines politischen Phänomen, http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41192/was-istrechtspopulismus (2.9.2017).

Diehl, Paula (2012): Populismus und Massenmedien, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 5-6, S. 16-22.

Dörner, Andreas (2001): Politainment – Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft, Frankfurt/Main.

Hartleb, Florian (2011): Nach ihrer Etablierung – Rechtspopulistische Parteien in Europa. Begriff. Strategie. Wirkung, http://www.kas.de/wf/doc/kas_22741-544-1-30.pdf. (25.9.2017).

Hartleb, Florian (2017): Die Stunde der Populisten. Wie sich unsere Politik trumpetisiert und was wir dagegen tun können, Schwalbach.

Jugend-Trend-Monitor (2013), http://www.doclx-holding.com/jugendstudie2013/Jugend_Trend_Monitor_September_2013.pdf. (25.9.2017).

Jugend-Trend-Monitor (2016), http://updatedigital.at/news/medien/jugend-trendmonitor-2016-smartphone-wird-fuer-alles-verwendet-nur-nicht-zum-telefonieren/1.845.616 (25.9.2017)

Meyer, Thomas (2001): Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch die Medien, Frankfurt/Main.

Meyer, Thomas (2002): Mediokratie. Auf dem Weg in eine andere Demokratie?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 15–16, S. 7–14.

Müller, Albrecht (1999): Von der Parteien- zur Mediendemokratie: Beobachtungen zum Bundestagswahlkampf 1998 im Spiegel früherer Erfahrungen, Wiesbaden.

Patzelt, Werner (2017): Der hässliche Bruder der Demokratie: Fünf Merkmale des Populismus, https://www.svz.de/deutschland-welt/politik/der-haessliche-bruder-der-demokratie-fuenf-merkmale-des-populismus-id16630676.html (25.9.2017).

Pelinka, Anton (2002): Die FPÖ im internationalen Vergleich. Zwischen Rechtspopulismus, Deutschnationalismus und Österreich-Patriotismus, in: conflict & communication online, Vol. 1/1.

SORA/ISA: Wahlanalyse Nationalratswahl (2013). Unter: http://www.sora.at/fileadmin/downloads/wahlen/2013_NRW_Wahlanalyse.pdf  (25.9.2017).

Stöss, Richard (2007): Rechtsextremismus im Wandel, unter: http://library.fes.de/pdf-files/do/05227.pdf  (25.9.2017).

Strache, Heinz Christian (2012; 2013): www.facebook.com/HCStrache

Thaler, Thomas (2016): Facebook: Wahlkampf mit Facebook – Norbert Hofer ist österreichischer Bundespräsident, unter: http://www.thomashutter.com/index.php/2016/12/facebook-wahlkampf-mit-facebook-norbert-hofer-ist-oesterreichischer-bundespraesident/ (25.9.2017).

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