Rechtsextremismus in Österreich

Die extreme Rechte in Österreich verortet sich zwischen einer Kontinuität gewachsener Strukturen auf der einen Seite und der Anknüpfung an internationale Trends auf der anderen Seite. In diesem Text soll ein kompakter Überblick über dieses politische Spektrum gegeben werden, der  Brüche, Kontinuitäten und Taktiken der extremen Rechten in Österreich skizziert. Damit soll ein Einstieg für Interessierte in das Themenfeld gegeben und ein Anstoß für eine weitere Auseinandersetzung geleistet werden.

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Der Begriff  Rechtsextremismus

Rechtsextremismus selbst ist kein klar definierter oder abgegrenzter Begriff, sondern wird von unterschiedlicher Seite anhand bestimmter Merkmale umrissen. So nennt der Verfassungsschutzbericht  2016 die Verherrlichung des völkischen Nationalismus und eine damit einhergehende antipluralistische und antidemokratische Gesellschaftsauffassung (Bundesministerium für Inneres 2016: 11), ein klassisches Charakteristikum. Auch der Verfassungsschutz stellt dabei fest, dass die Ausprägungen von der Befürworten von Rassismus und Antisemitismus bis hin zur Verharmlosung des Nationalsozialismus reicht (Bundesministerium für Inneres 2016:11).

Willibald Holzer definiert Rechtsextremismus vor allem auch als soziales Phänomen (Holzer 1993: 16). In diesem Ansatz unterscheidet sich Rechtsextremismus nicht von anderen politischen Ideologien oder dem Politischen an sich – diesen Umstand an dieser Stelle zu betonen hilft aber dabei zu vergegenwärtigen, dass Strukturen und Handlungsweisen von gesellschaftlichen Trends beeinflusst werden können und nicht starr sind. So sind zum Beispiel Artikulation, Vernetzung und Aktion in diesem Spektrum Veränderungen unterworfen auf die wir hier näher blicken möchten.

Trotz dieser Dynamiken bleiben Charakteristika bestehen, die über die kurz umrissene Begriffsfassung des Verfassungsschutzes, weiter konkretisiert werden müssen. Laut Holzer ist eine der wichtigsten Merkmale des Rechtsextremismus und verwandter Ideologien, die sich auch innerhalb des legalen, demokratischen Spektrums wiederfinden,  die Vorstellung, dass diese die Ungleichheit von Menschen als Strukturmerkmal von Gesellschaft heranziehen (Holzer 1993: 34). Diese Positionierung sieht Holzer in klarem Widerspruch zu den Werten, die sich aus der französischen Revolution ableiten und die “Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller” begründet (Holzer 1993: 34). Diese Hierarchisierung findet dabei nicht nur gegenüber “Fremden” statt, sondern spiegelt auch das Bild innerhalb einer Gesellschaft wieder, das sich zum Beispiel in der Rolle der Frau widerspiegelt.

Diese hier genannten Merkmale des Rechtsextremismus, die an dieser Stelle nicht vollständig aufgezählt und diskutiert werden können, werden  anhand eines kurzen geschichtlichen Abrisses beleuchtet. Der Fokus liegt dabei auf den dominanten Akteuren innerhalb des Rechtsextremismus und muss verschiedene Differenzierungen innerhalb des extremistischen Milieus, aufgrund des damit verbundenen Umfangs, ausklammern.

Zur Entwicklung des Rechtsextremismus  nach 1945

Rechtsextremismus nach 1945 artikulierte sich primär als Kontinuität des Nazismus. Bailer und Neugebauer dokumentieren in ihrem Abriss, die gescheiterte Entnazifizierung und die Sammlung des sogenannten “nationalen Lagers” im Verband der Unabhängigen (VDU) – hinzu kommen jene ehemaligen NSDAP Mitglieder, die in den Großparteien “rehabilitiert” wurden (Bailer/ Neugebauer 1993: 98). Während andere neonazistische Gruppen in den 50er Jahren gegründet und aufgelöst wurden, konnten sich Rechtsextreme in deutschnationalen Studentenverbindungen, Turnerbünden und anderen Organisationen sammeln. Sie waren in den 60er Jahren laut Bailer und Neugebauer jene Kräfte, die im Südtirol Konflikt mobilisierten (Bailer/ Neugebauer 1993: 98). Während der 70er Jahre flaute das Momentum der rechtsextremen Gruppierungen aufgrund der gesellschaftlichen Stimmung ab, was sie laut Bailer und Neugebauer nicht daran hinderte weiterhin publizistisch tätig zu sein. In den 80ern kam es nach Bailer und Neugebauer zu einem Erstarken des nationalen Flügels innerhalb der FPÖ, verbunden mit der Wahl Jörg Haiders zu Parteivorsitzenden.  Dies führte zu einer Konsolidierung verschiedener Aktivitäten auf der einen Seite und zu einer Radikalisierung kleinerer Gruppen auf der anderen Seite innerhalb des rechtsextremen Spektrums in Österreich (Bailer/ Neugebauer 1993: 100).

Ende der achtziger Jahre kam es auch zu einer weiteren Ausdifferenzierung, indem rechte Gruppierungen nicht nur in der Skinhead Subkultur, sondern auch im esoterischen Milieu eine bedeutende Rolle einnehmen. Nach der Spaltung der FPÖ in Knittelfeld im Jahr 2005 im Rahmen der Regierungsbeteiligung unter Schwarz/Blau, waren es speziell die deutschnationalen Burschenschaften, die als Stütze der Partei fungierten. Unter der Führung von Heinz Christian Strache kam es zunächst zu einem weiteren Rechtsruck der FPÖ (Schiedel 2007: 107ff). Seit 2010 dominiert unter Strache ein eher rechtspopulistischer Kurs, der jenem europäischer rechtspopulistischer Parteien, wie etwa der Partei der Freiheit von Geert Wilders, entspricht. Dies hat unter anderem auch mit der engeren Kooperation verschiedener rechter Parteien Europas zu tun, die gemäß ihres formaldemokratischen Agierens auch Legitimität weg von Extremen benötigen. Dabei betont Heribert Schiedel, dass die Unterscheidung zwischen der unmittelbaren Bedrohung von Neonazismus und der mittelbaren Bedrohung durch Rechtsextremismus und Rechtspopulismus nicht als eine Hierarchisierung der Übel verstanden werden darf, sondern allesamt eine Bedrohung mit unterschiedlicher Vorgehensweise darstellen (Schiedel 2011:10). Dieser Schwenk äußert sich im Gegensatz zu den rechtsextremen Positionen innerhalb der FPÖ zum Beispiel pro Israelisch und eine Verschiebung weg vom offenen Antisemitismus, hin zu antimuslimischen Rassismus als Feindbild, finden auch ihren Anklang in der ausdifferenzierteren extremen Rechten. Dabei ist aber zu sagen, dass trotz dieser vordergründigen Abkehr vom Rechtsextremismus die FPÖ, die Partei und deren Umfeld wiederholt rechtsextremes Gedankengut zeigt. Das Mauthausen Komitee hat dazu alleine 60 Fälle zwischen 2013 und 2017 dokumentiert (Mauthausen Komitee 2017).

 

Rechtsextremismus in der Gesellschaft

Dabei sind rechtsextreme und rechtspopulistische Tendenzen innerhalb einer Gesellschaft nicht nur an den Rändern zu verorten. Matthias Falter hat in seinem Beitrag Kein Randproblem: Rechtsextremismus und die „Mitte der Gesellschaft“ 2014 in der Zusammenstellung verschiedener Studien festgehalten, dass weit verbreitete autoritäre, rassistische und antisemitische Haltungen zumindest ein Klima erzeugen in dem rechtsextreme Parteien erfolgreich sein können (Falter 2014). Haltungen diesbezüglich spiegeln sich zum Beispiel in Umfragen wieder in denen laut ADL 52% der ÖsterreicherInnen glauben, dass Jüdinnen und Juden zu viel über den Holocaust sprechen. 30% der Befragten meinen, dass JüdInnen zu viel Macht in den Medien haben und laut dieser Studie fast ebenso viele glauben, dass es einen zu großen jüdischen Einfluss auf die internationale Politik gäbe (ADL 2014). Weitere Haltungen, wie der Wunsch nach einem “starken Mann” werden von 43% der Bevölkerung in Österreich geteilt – zudem wollten in der SORA Studie 33 Prozent der unter 35 Jährigen die Frage nach der normativen Einschätzung des Nationalsozialismus nicht beantworten (die Presse 2017).

Egal ob Akzeptanz oder aktive Befürwortung derartiger Haltungen, erhärtet sich die These, dass es viele Faktoren gibt, die Rechtsextremismus nicht marginalisieren. Diese Normalität zu problematisieren und liberal-demokratische Werte auf Basis der verfassungsrechtlichen Grundsätze einer Republik mit Leben zu erfüllen ist daher Aufgabe der politischen Bildung, die für ein demokratisches Miteinander essenziell ist.

Obwohl Antisemitismus und die damit einhergehende Agitation weiterhin Bestandteil der extremen Rechten ist, erscheint auch das rechtsextreme Milieu in ihrer ideologischen Perspektive durch die stärkere Präsenz von MuslimInnen eine unmittelbarere Bedrohung für ihre völkische Vorstellung von Gesellschaft zu sehen. Während Gruppierungen wie österreichisch deutschnationale Burschenschaften eine glaubwürdige Abgrenzung zum Antisemitismus vermissen lassen, sind auch diese einem globalen Trend in ihrer Ideologie unterworfen, der nun antimuslimischen und antiarabischen Rassismus zum Bestandteil des völkischen Rüstzeugs rechtsextremer Agitation macht. Im Gegensatz zu der rechtspopulistischen Agitation der FPÖ, können aber rechtsextreme Gruppierungen sehr offen den Brückenschlag zu antisemitischen Argumentationen legen, wohingegen ein von Geert Wilders inspirierter Rechtspopulismus, Israel als einen Verbündeten im “Kampf gegen den Islam” zumindest rhetorisch imaginiert. Heribert Schiedel verweist mit Blick auf diese Entwicklung speziell im Bezug auf die FPÖ darauf, dass sich der antimuslimische Rassismus nicht den Antisemitismus ersetzt, sondern ihn ergänzt (Schiedel 2016). Das heißt, dass in diesem Rassismus das Fremde “unten”, naturhaft zu unterdrückend gefasst wird und der Antisemitismus als “verfolgende” Verschwörung weiterhin Bestand hat (Schiedel 2016).

Wandel des Erscheinungsbilds

Nicht nur die ideologischen Fragmente, sondern auch Erscheinungsformen beziehungsweise der Aktivismus rechtsextremer Strömungen haben sich verändert. So kann man auch bei rechtsextremen und neonazistischer Gruppen unterschiedliche Stadien der Entwicklung beobachten, wie etwa zum Beispiel die Übernahme der Skinhead Subkultur, die dem Neonazismus, sowohl in Deutschland wie auch in Österreich, nachhaltig markante Merkmale gegeben hat. Doch hat der Mobilisierungserfolg linker Gruppierungen auch dazu geführt, dass deren Erscheinung und Strategien auch in der extremen Rechten ihre Entsprechung fanden. Waren es Anfang der 2000er Jahre autonome NationalistInnen, die sich in Aufmachung gemäß dem sogenannten “schwarzen Block” neben Skinheads und anderen rechtsextremen beziehungsweise neonazistischen AktivistInnen präsentierten, sind es heute Identitäre, die verschiedene Aktionsformen in eine eigenständige, europäische Bewegung überführen. Mit Aktionen, die sich der Logik der Aufmerksamkeitsökonomie im Stil von Greenpeace und linksradikalen Gruppen bedienen, ist diese Bewegung heute eine der am schnellsten wachsenden rechtsextremen Bewegungen. Auch zeigt sich, dass die Internationalisierungstendenzen in dieser Bewegung ganz offen zur Schau gestellt werden.

Die Identitäre Bewegung

Die Identitäre Bewegung als öffentlichkeitswirksamste Gruppe der rechtsextremen Szene in Österreich hat sich 2012 nach dem Vorbild des französischen Bloc Identitaire gegründet (Bruns, Glösel, Strobl 2014: 16). Die Identitäre Bewegung versteht sich dabei nicht als neonazistisch, sondern zeigt vielmehr Charakteristika der “Neuen Rechten”. Dieser Begriff, so die AutorInnen, wird als Mischspektrum aus extremen Wertkonservativismus und Rechtsextremismus bezeichnet (Bruns, Glösel, Strobl 2014 : 29). Dabei setzen sie auch auf europaweite Vernetzung und rahmen ihre politische Forderung als “Verteidigung des Abendlandes” vor dem, wie sie es imaginieren “großen Austausch”, der durch den Zuzug von AusländerInnen speziell in der Flüchtlingskrise verortet wird. Toleranz wird als Ethnopluralismus, also jede Ethnie in ihrem geografisch verorteten Kulturkreis verstanden. Dieser scharfe ausgrenzende und „das Fremde“ als gefährdend stigmatisierende Zugang zu Politik ist aber nicht das einzige Charakteristikum, das diese Bewegung als rechtsextrem erscheinen lässt. Es ist auch der antifeministische Diskurs, der Versuch das Konzept der “Weiblichkeit” als Gegenkonzept als natürlich-kulturell begründete Basis für Geschlechterverhältnisse in einer Gesellschaft zu etablieren.

Ähnlich wie bei der Skinhead Subkultur oder extremistischen neonazistischen Gruppen, sind es die deutschnationalen Burschenschaften, die als Bindeglied zwischen dem bis in die Illegalität reichenden Neonazismus und etablierten rechtspopulistischen Gruppierungen, wie der FPÖ fungieren. So stammen auch verschiedene Kader der Identitären Bewegung aus Burschenschaften (Bruns, Glösel, Strobl 2014: 77) oder bekommen Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Weiteres waren auch Aktivisten im Parlamentsklub der FPÖ angestellt, was exemplarisch für verschiedene Berührungspunkte zwischen rechtem Aktivismus und populistischer Parteipolitik steht (Kurier 2017).

Internationalisierung durch Neue Medien

Wie zuvor erwähnt, übernehmen auch die Identitären Aktionsformen aus unterschiedlichen Kontexten, speziell jene, die als links identifiziert werden. Es zeigt sich jedoch auch eine Internationalisierung des Aktivismus, speziell auf sogenannten Imageboards auf denen auch rassistische und antisemitische Materialien und Inhalte geteilt werden. Diese sogenannten Memes (Bilder mit Nachricht) sind dabei nicht nur zum essenziellen Bestandteil politischer Kommunikation generell geworden, sondern erlauben es Gruppen wie den Identitären und anderen Rechtsextremen unregulierte Freiräume für sich zu beanspruchen. Ein Maskottchen, das sich dabei sowohl in der Alt-Right in den USA (alternative Rechte) wie auch in Österreich wiederfindet, ist Pepe der Frosch. Dieses wird als Code für subtile fremdenfeindliche, antisemitische oder frauenfeindliche Inhalte in unterschiedlichen Situationen gezeigt und erweitert die Kommunikation dieser Gruppen über Texte, Filme und Videos hinaus. Da viele dieser Boards, aber auch YouTube Kanäle und andere soziale Medien zu einem stärkeren Austausch geführt haben, finden sich auch Positionen und Diskurse zum Beispiel aus den USA, Frankreich oder dem Vereinigten Königreich in Österreich wieder. Auch umgekehrt spielen österreichische AktivistInnen eine bestimmende Rolle, wie zum Beispiel in der Wortführerschaft der Identitären Bewegung bei länderübergreifenden Aktionen, wie dem gescheiterten Versuch NGO-Schiffe im Mittelmeer mit Hilfe eines gecharterten Boots zu blockieren.

Zusammengefasst kann man einen Trend in Richtung internationale Kooperation rechtsextremer Gruppierungen in Europa feststellen, die die Breitenwirksamkeit sowohl durch rechtspopulistische Positionierung im Falle der FPÖ, als auch aufsehenerregenden Aktivismus wie bei den Identitären erhöht. Während sich der Charakter des Rechtsextremismus in seinem Erscheinungsbild ändert, ist gleichzeitig evident, dass gewachsene Strukturen des Rechtsextremismus in Österreich immer noch einen zentralen Stellenwert einnehmen. Speziell die deutschnationalen Burschenschaften, die sich als Rückgrat der FPÖ erwiesen haben und Infrastruktur, wie auch Personal für die Identitären feststellen sind dabei zentrale Akteure, die weiterhin als Bindeglied im österreichischen Rechtsextremismus fungieren.

Literatur

Anti- Defamation League (2015): “ADL Global 100”, http://global100.adl.org/#map/2015update (18.09.2017).

Bundesministerium für Inneres (2016): “Verfassungsschutzbericht 2016”, Wien.

Bailer, Brigitte; Neugebauer, Wolfgang (1994): Abriss der Entwicklung des Rechtsextremismus in Österreich, in: Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus, Edition Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien.

Bruns, Julian; Glösel, Kathrin; Strobl, Natascha (2014): Die Identitären: Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa, Münster.

Holzer, Willibald (1994): Rechtsextremismus – Konturen, Definitionsmerkmale und Erklärungsansätze, in: Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus,  Edition Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien.

Kurier (2017): Identitären-Schiff wieder auf Fahrt: Mit Ex-Mitarbeiter der FPÖ”. 27.07.2017,  https://kurier.at/chronik/weltchronik/identitaeren-schiff-kapitaen-arbeitete-fuer-fpoe-im-parlament/277.378.443  (18.09.2017).

Schiedel, Heribert (2011): Extreme Rechte in Europa, Edition Steinbauer, Wien.

Schiedel, Heribert (2016): Zur „pro-israelischen“ Wende von Teilen der extremen Rechten. in FIPU – Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit.  15.06.2016,  https://forschungsgruppefipu.wordpress.com/2016/06/15/zur-pro-israelischen-wende-von-teilen-der-extremen-rechten/#_ftn13  (18.09.2017)

 

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